Survival-Tagebuch 2004 - 2. Die Herausforderung zum Verbündeten machen



Auf einer fünftägigen Rucksacktour bereite ich mich auf meinen eigentlichen Survival-Aufenthalt vor. Ich genieße nochmal den Komfort von Ausrüstung und sammle schon einige unvergessliche Momente.


Hier geht es zu der Übersicht zur Artikelserie Survival-Tagebuch 2004.

Was ich gelernt habe:

Das Potenzial zu Abenteuer steigt, je schlechter die Vorbereitung ist. Und mit der Chance auf Abenteuer aufgrund schlechter Vorbereitung steigt auch das Risiko. Für mich ist das Gleichgewicht zwischen Abenteuer und Sicherheit entscheidend, denn nur ein überlebtes Abenteuer kann erzählt werden.


Also vorbereiten auf die erwarteten Anforderungen, auf den Hunger, die Kälte, die Nässe, die Einsamkeit. Aber wie bereitet man sich auf unbekannte Herausforderungen vor? Wie bereitet man sich zum Beispiel auf seine erste Survivaltour vor, ohne zu wissen wo die eigentlichen "Knackpunkte" liegen?


Indem man sie sich zum Verbündeten macht, sich mit seinem Umfeld und seinen Anforderungen vertraut macht und sich letztlich in die Interaktion mit ihm verliebt. Die Liebe zum Leben und Überleben in der Wildnis steckt uns tief im Herzen. Und wer sie entdeckt und weckt hat ein gutes Werkzeug für den Umgang mit den täglichen Herausforderungen des Überlebens in der Natur. Denn die Ängste vor Versagen und Gefahr verwandeln sich in eine freudige und vorausschauende Suche nach neuen Herausforderungen und Aufgaben.


Deshalb lautete auch in der Vorbereitung meiner Tour die Devise: Mach dir die Herausforderung zum Freund und Verbündeten.


Leonie, Sebastian und ich starteten zu einer Trekking-Tour durch das schwedische Fjäll, südwestlich von Kvikkjokk. Als Vorbereitung.

Aus meinem Tagebuch:

Geröstete Mücken
Geröstete Mücken

Freitag: 6.8.2004

Nachdem wir unsere Sachen gepackt haben sind wir nach Jokkmokk gefahren, wo wir etwas Essen für die Tour gekauft haben. Ich war kurz Geld wechseln um mir ein Paar Gummistiefel zu kaufen, da diese absolut notwendig sind, wenn man durch sumpfiges Gebiet will, wie ich gestern feststellen musste. Nach einer längeren Fahrt, die zum Schluss entlang des Saggat führte, kamen wir in Kvikkjokk an. Von dort aus nahmen wir dann ein Boot durch ein Flussdelta nach Mallenjarka. Auf dem Kungsleden, dem Königsweg, sind wir dann 4km im Nieselregen gelaufen bis wir an einen im Wald gelegenen See kamen. Inzwischen hatte der Regen aufgehört und wir stellten unsere Zelte im Wald auf. Bei mir gab es Rindfleischsuppe mit Nudeln zu Abend, wobei ich mir noch ein paar Mücken auf einem Dosenverschluss röstete. - Nussig.

Samstag: 7.8.2004

Aufstehen, frühstücken, packen, loslaufen.
Heute sind wir insgesamt 11km gelaufen. Zuerst 9km auf dem Wanderweg, durch Sümpfe und Wälder. Dann haben wir Kaffe gekocht. Weitere 2km legten wir dann an den Ufern des Tsielekjakka zurück, die wesentlich anstrengender waren, da sie querfeldein, durch Sümpfe,  über Sandbänke und durch Weidendickichte verliefen. Gezeltet haben wir an einer Flussbiegung zwischen Wachholderbüschen. Am Abend machten Sebastian und ich eine kleine Pilz- und Fischtour. Unsere Ausbeute bestand aus einem Topf voll Röhrlingen und 4 Bachforellen. In den Hügeln stießen wir dann auf einen Goldregenpfeifer der die anderen Tiere mit seinem Pfeifen vor uns warnte, was den Forellen und den Pilzen aber nicht geholfen hat. Ich war wunderbar scheißen, mit Blick auf den Sjellpoulta, bis mich eine Gnitzenwolke Bemerkt hat.

Sonntag: 8.8.2004 

Wir sind heute wieder entlang des Flusses gelaufen, und zwar wieder 10km querfeldein. Nach 3km kamen wir an eine wunderbare Angelstelle, an welcher Sebastian eine große (etwa 1kg) Lachsforelle aus dem Wasser gezogen hat. Wir haben dann unsere Mittagspause gemacht in der es die gekochte Forelle gab, die einfach nur herrlich geschmeckt hat. So langsam hörte der  lichte Birkenwald auf und wir schlugen wieder unsere Zelte am Fluss auf. Am Ufer konnten wir einen Turmfalken beobachten. Schon gestern hatten wir eine Eule beobachtet. Wir suchten regelmäßig die uns umgebenden Hänge mit unseren Ferngläsern nach Rentieren, Elchen oder Bären ab.  Seit ich hier bin habe ich drei neue Pflanzen kennen gelernt, bzw. gesehen: Blauer Enzian, den es sonst in den Alpen gibt, Linea, ein kleines weißes Blümchen das nach seinem schwedischen Entdecker benannt wurde, und Bärlapp, ein lebendes Fossil.

Montag: 9.8.2004

Ich hatte mir heute für sechs Uhr meinen Wecker gestellt. Sebastian schien schon länger auf zu sein und war am Kaffe kochen. Er hatte das Feuer mit der Glut von gestern angezündet. Ich hatte gestern Abend das Feuer mit dicken Stämmen, Steinen und Moos bedeckt, um die Glut zu erhalten. Wir beobachteten wieder die uns umgebenden Hänge, jedoch ohne Erfolg.  Unsere Route hat uns heute am Flussufer und dann an einem Bach entlang geführt, der aus einem Tal, nordwestlich der Vuoka kam. Dieses sind wir dann
bis zu seinem Ende entlang gegangen, wo eine kleine rote Hütte stand.  Dort oben wuchsen schon lang keine Bäume mehr, nur noch kniehohes Gestrüpp aus Grauweiden, Wachholder und Zwergbirken. Der Boden ist bedeckt mit dem Kraut der Krähenbeere, dessen schwarze Früchte an den Südseiten der vielen, steinigen Hügel, groß und glänzend waren, mit einem süßlich-herben Geschmack.

    Auf einem der Rentierpfade fanden wir einen, von einem Raubvogel gegriffenen Lemming. Ich packte ihn in eine Tüte um ihm bei der nächsten Pause das Fell abzuziehen. Das war dann eine zwar interessante aber auch ekelige Angelegenheit, da der Lemming teilweise zerfetzt war, sodass man nur ein Teil des Felles nehmen konnte. Das Fell war ganz weich und zart.  Als wir den Pass am Ende des Tales passiert hatten, legten wir eine kleine Kaffeepause ein. Da es nur sehr spärliche Holzmengen gab’ dauerte es eine Weile bis wir die nötige Menge zum Wasserkochen zusammen hatten. Von hier oben aus hatte man eine ideale Aussicht in das uns zu Füßen liegende Tal. Mit lichtem Birkenwald, Mooren, Seen und einem Fluss. Nach einer ganzen Weile hat Leonie dann einen Elch entdeckt, der gemächlich durch die nur wenig bewachsene Moorlandschaft zog. Wir hatten viel Zeit ihn mit den Ferngläsern zu beobachten.
    Wir haben uns dann an den Abstieg gemacht. In den Mooren gab es jede Menge köstliche Moltebeeren. Wir lagerten am Fluss, in der Nähe von einer großen Stromschnelle. Ein idealer Angelplatz. Das hatte sich wohl auch das, wahrscheinlich dänische Pärchen gedacht, welches wir bei unserer Ankunft dort antrafen. Sie hatten einen Haufen viel zu kleiner Forellen aus dem Wasser geholt. Als jedoch Sebastian sein Glück versuchte biss eine mächtige Lachsforelle an, die sicher an Land gebracht wurde. Anschließend hat Leonie eine weitere, nicht minder große Forelle geangelt. Lecker. 

Dienstag: 10.8.2004

Nach dem Frühstück haben wir unsere Zelte zusammengebaut und  haben uns an die letzte Etappe unserer schönen Tour gemacht. Der Weg führte stets an dem Fluss entlang, der nach Kvikkjokk fließt. Wir machten viele Pausen, sodass auch diese letzte und längste Strecke gut zu gehen war. Als wir dann an dem großen Flussdelta und dem Anlegesteg für das Motorboot, welches uns nach Kvikkjokk bringen würde, angekommen waren, hatten wir noch genug Zeit für eine kleine Pause. Die Überfahrt dauerte eine ganze Weile, da der Bootsfahrer sehr darauf bedacht war einer Gruppe anderer Fahrgäste, alles mögliche in der Gegend zu zeigen und zu erklären. 
   In Kvikkjokk angekommen sind wir das Stück zum Parkplatz hoch gelaufen, wo ich am Auto meinen Rucksack umpackte und meine Kleidung wechselte. Leonie hat dann Sebastian und mich auf der Straße in Richtung Jokkmokk, die an dem großen See Saggat entlang führte, bis nach Vägbom gefahren, wo wir zwei ausgestiegen sind, um unsere Zelte direkt am See aufzuschlagen. Am Abend hat es etwas geregnet. 

Ich weiß noch, dass mir an diesem Abend etwas mulmig war. Denn morgen würde meine Zeit ohne Essen, ohne Ausrüstung und ohne Gesellschaft beginnen. Aber ich habe mich auch auf eine intensive Zeit in den Bergen gefreut.

Die Fortsetzung der Artikelserie findest du hier. 

Survival-Tagebuch 2004 - 3. Einen Ort zum Überleben finden



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