Tag und Nacht nur wildes Essen

Wildkräuter Frühstück, Gränfors Bruk, Axt
Mein Frühstück

Einen Tag lang nur Wildkräuter und Wildgemüse essen, und gut soll es schmecken! Ich ziehe los und bin von zwei Dingen überrascht: Der späte Oktober bietet Unmengen an Essen und das wilde Essen macht mich satter und glücklicher als das "normale" Essen.

 

Der Artikel enthält keine Pflanzenporträts und keine Bestimmungshilfen. Es ist einfach ein kleiner Erfahrungsbericht und darf als Anregung zum Nachmachen dienen.

 

Ich fange mit 24 Stunden an, das ganze lässt sich natürlich beliebig lange ausdehnen: Ein Mal pro Woche, eine Woche lang, ein Leben lang :-)

Wildkräuter und Wildgemüse

Wissen über essbare Wildpflanzen anlesen und vielleicht auch mal hier und da ein Blättchen probieren ist sicherlich kein Fehler. Das Wissen, egal zu welchem Themengebiet, sickert aber erst durch das "Tun" richtig in uns hinein, füllt uns aus und kann durch unsere Handlungen wieder in die Welt getragen werden. Es ist gut mit einem Abend am Lagerfeuer vergleichbar: Während die Nacht frostiger wird, rutschen wir immer dichter an die wärmenden Flammen heran. Wir halten uns mit Liedern, Witzen und Geschichten wach. Und wie deutlich ist doch zu erkennen, wer seine Geschichten nur nacherzählt und wer sie selbst erlebt hat. Die lebhaften Bewegungen der Hände, das Funkeln in den Augen und die Emotionen in der Stimme verraten den wahren Abenteurer. Und so ist es doch auch mit den Wildpflanzen. Nur die Pflanze die wir gesammelt, zubereitet gekaut und geschluckt haben, kennen wir wirklich.

 

Ich entschließe mich 24 Stunden nur zu essen, was ich mit meinen Händen gesammelt habe. Dinge wie Essig, Öl, Salz, Gewürze usw. sind natürlich erlaubt.

Ende Oktober. Der Gabentisch ist reich gedeckt. Ich ziehe am Vortag los und sammel das Frühstück für den nächsten Tag in einem bewaldeten Tal mit einer kleinen Lichtung am Talboden. Hier finde ich einige Bucheckern unter den mächtigen Rotbuchen. Schon beim sammeln esse ich - nicht zu viele, denn sie enthalten Fagin und können roh Bauchschmerzen verursachen. Ich hatte bisher nie Bauchschmerzen, nach ca. 20 bis 30 Bucheckern habe ich aber schon ein paar mal leichte Übelkeit bekommen. Aber durch erhitzen werden die Bucheckern genießbarer.

 

Eine kleine Internetrecherche offenbart mir, dass Bucheckern bis zu 40% Fett und viel Zink und Eisen enthalten. Ich sollte mich mehr mit ihnen beschäftigen, da kann man sicher tolle Sachen draus machen (Mehl, Kuchen, Fladen...).

Im Schatten stehen zahlreiche Exemplare des Indischen Springkrauts. Die prallen Samenkapseln enthalten viele ölhaltige Samen. Einige esse ich roh, die schmecken super, den Rest nehme ich mit um ihn mir zu Hause zu rösten.

Indisches Springkaut ist essbar. Ein Wildgemüse also.

Auch Haselsträucher finden sich hier überall, genau wie Brennnesseln. Am Boden liegen noch ein paar unversehrte Nüsse, da waren die Eichhörnchen wohl unachtsam. Von den Brennnesseln nehme ich jeweils nur die zartesten Blättchen.

Zum Frühstück brate ich all meine Funde in der Pfanne. Auf der einen Pfannenhälfte die Brennnesseln, auf der anderen Hälfte den Rest. Ein Bild von meinem Frühstück. Nein, mit dem Werkzeug habe ich nicht gegessen!

Mein Wildkräuterfrühstück, Brennnessel geröstet, Haselnüsse, Springkrautsamen, Bucheckern.

Nach dem Frühstück ziehe ich gleich wieder los. Der nächste Hunger wird bestimmt bald wieder kommen denke ich. Falsch.

Den ganzen Mittag streife ich gemütlich durch die Wälder und widme mich dem Fährtenlesen. Eine Wildschweinrotte, zwei Rehe, ein Fuchs. Ab und zu esse ich was ich so finde. Ich lebe sozusagen vom Wegrand in den Mund. Und bleibe erstaunlich satt!

Auf einer großen Wiese sammel ich die Wurzeln der Krausen Distel. Das ist Neuland für mich und ich bin gespannt, was ich mir da auf den Teller holen werde. Im Bach gewaschen, zeigen sich feste Speicherwurzeln an der Pflanzenbasis. Da steckt also die ganze Distel-Power drin. 

 

Einige Schilfsprossen, jede Menge Esskastanien und eine gute Hand voll Vogelmiere werden mein Abendessen abrunden.

Gekocht, gebraten, gegessen. Satt und zufrieden hat mich das Essen gemacht. Wildkräuter sind nicht kultiviert, sie wachsen wo und mit wem sie wollen, so schnell oder so langsam wie es für sie angebracht ist.

 

Ich habe den Verdacht, und in letzter Zeit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Wildpflanzen irgendwie nicht mit unseren herkömmlichen Lebensmitteln zu vergleichen sind. Es scheint mehr Kraft in dem wilden Gemüse zu stecken, mehr Energie, mehr Wildheit. Sie machen mich satt und zufrieden, obwohl ich nur kleine Mengen von ihnen esse. Der kleine Haufen Vogelmiere mit einigen Brennnessel- und Breitwegerichblättern kann es mit einem ganzen Eisbergsalat aufnehmen. Während beim Eisberg nur die Salatsoße Geschmack liefert, bereue ich fasst, dass ich die Vogelmiere angemacht habe. Zitrone, Salz, Öl, Pfeffer... Sie scheinen den echten, intensiven und irgendwie undefinierbaren Geschmack (außer mit einem abgedroschenen "nussig") nur zu stören.


Diese 24 Stunden haben mir mal wieder die Augen etwas weiter geöffnet: Da draußen ist alles voller Essen, der Wald und die Wiesen strotzen vor Vitaminen und Mineralstoffen. Und es steckt Lebensenergie in dem Essen (so benenne ich einfach mal das Gefühl von Sattheit, Energie und Zufriedenheit nach dem Verzehr), mit der kultivierte Lebensmittel nicht richtig mithalten können.

 

Wie immer appelliere ich ans rausgehen und selbst essen. Am besten sofort. Denn wenn auch nur ein einziges Blatt in deinen Mund wandert, bist du dem reinen Leser schon voraus.


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Kommentare: 2
  • #1

    Dieter (Donnerstag, 04 Mai 2017 12:25)

    Schöner Bericht über die Ernährung mit wilden Pflanzen. Auf meiner Seite beschäftige ich mich auch mit Wildkräutern. Es es ist schon erstaunlich wieviel nahrhaftes die Natur bietet. Ich wünsche noch viele bereichernde Erfahrungen.

  • #2

    Michael von "erdwege" (Samstag, 04 Juli 2020 21:01)

    Klasse Bericht, das Thema ist auch gerade sehr groß bei mir.
    Die "24-Stunden-Challenge" nehme ich mir mal für das nächste Wochenende vor :).